Regenzeit im Mandé  

Am 18. Juni regnete es zum zweiten Mal, „ganz gut, aber nicht reichlich“, einen Tag später zum dritten Mal, „weniger als gestern“. Am 24. Juni endlich kam der große Regen, auf den alle gewartet haben. Am Nachmittag fing er an und hörte bis zum Mittag des nächsten Tages nicht auf.

Damit beginnt die Anbausaison. Die Bauern fangen an zu pflügen und zu säen; erst die Hirse, dann den Mais. „Wer keine Hirse sät, fängt gleich mit dem Mais an“, sagt Brehima Coulibaly. Wer schon gepflügt hat, sät ab heute. „Das Samenkorn keimt innerhalb von 4 bis 5 Tagen.“

In der Nähe von Siby wie in der anderer Dörfer empfiehlt sich das jedoch nicht, solange die Dorfbewohner sich nicht geeinigt haben, ab wann das Vieh einzusperren ist. Erst wenn kein Tier mehr frei herum läuft, beginnt die Feldarbeit zu 100 Prozent.

Am 20. Juni hat der Dorfchef die Versammlung einberufen. Nach der Versammlung schickte er den Dorfschreier, einen homme de caste (Mann der Handwerkerkaste) „seit Jahren der selbe“, mit dem Lautsprecher durch den Ort: „Ich bin das Sprachrohr des Dorfchefs und informiere alle Tierhalter: Schafe, Ziegen, Rinder und Esel sind bis spätestens 28. Juni einzusperren.“ Er nennt immer die genaue Frist, sie darf nie länger als eine Woche sein.

In jedem Quartier von Siby wird ab dem 29. Juni eine Gruppe junger Männer beauftragt, auf Streife zu gehen und frei herumlaufende Tiere aufzugreifen und an einem Sammelplatz zu bringen.

„Jedes Jahr gibt es Familien, die ihre Tiere frei kaufen müssen.“ Pro Rind oder Esel werden 1.000 FCFA (1,50 Euro) fällig, für Schaf oder Ziege 750 FCFA (1.10 Euro). Die Strafen kassiert der Dorfchef. Das Geld wandert in die Dorfkasse und wird in einer „verschlossenen Kassette“ verwahrt.

Neue Erdnuss-Röstmaschine

Anfang Juni konnte das CAAS eine neue Erdnuss-Röstmaschine der Firma Pisto Maschinenbau in Betrieb nehmen. Chargen von 25 kg können nun innerhalb von 20 Minuten gleichmäßig geröstet werden.

Erdnüsse werden in der Malischen Küche zum Beispiel als Basis einer sehr beliebten Sosse verwendet.

Ein Gemeinschaftsgarten in Sinda

Der Gemüsegarten von einem halben Hektar gehört der Familie Kamara und liegt neben deren Hof im Dorf Sinda, 7 km östlich von Siby. Acht Frauen der Familie haben hier ihre Beete, darunter auch Assietou Traoré verheiratete Kamera. „Den Garten gibt es seit mehr als zwanzig Jahren“, sagt ihre Schwiegermutter. Die Frauen düngen mit Kuhmist. Die Kühe sind nicht weit. Man sieht sie auf den Weiden auf dem Weg zu den Gärten.

Von den vier Schachtbrunnen geben zwei nur während der Regenzeit Wasser, die anderen zwei haben jetzt im Februar Wasser in 13 Meter Tiefe.

Sobald die große Hitze einsetzt, wird die Bewässerung täglich schwieriger. Ab Februar, März wächst die Konkurrenz unter den Frauen um das Wasser. Jede versucht, der anderen zuvor zu kommen, um sich Wasser für ihre Beete zu sichern. Assietou steht dann schonmal um 4 Uhr auf und trifft zuweilen bereits auf andere Frauen. Das führt leicht zu Streitereien untereinander, aber nicht zu echten Zerwürfnissen, sagt sie.

Assietou ist 23 Jahre alt. 9 Jahre lang hat sie die Schule in Siby besucht. Eigentlich wollte sie weiter zur Schule gehen, schaffte aber den Hauptschulabschluss nicht, das Diplome d’Education Fondamentale (DEF). Mit 18 Jahren heiratete sie in die Familie Kamera und hat inzwischen drei Kinder.

Auf ihrer Gartenfläche, 120 qm (20 x 6 ) pflanzt Assietou drei Gemüsesorten an: Blattsalat, Süßkartoffeln und Amarante, deren Blätter wie Spinat für die grüne Sauce verwandt werden.

Am Markttag noch vor 6 Uhr hat Assietou die Salatblätter geerntet und war um 10 Uhr auf dem (neuen) Markt in Tabou, 13 km entfernt. „Ich habe 8.000 FCFA (12 Euro) eingenommen“, gerechnet hatte sie mit 13.500 FCFA (20 Euro). Der Transport hin und zurück hat 600 FCFA (90 Cent) gekostet und eine kleine Mahlzeit auf dem Markt 500 FCFA (75 Cent).

Alle Frauen gehören zur selben Großfamilie, die täglich gemeinsam isst. Jeden Mittag und jeden Abend werden in einem großen Kessel, 25 kg Mais oder Hirse oder manchmal auch Reis gekocht.

Der Korbflechter

Mamadou Coulibaly arbeitet jeden Tag am gleichen Ort unter den Mangobäumen von Dissoumana. Hier flicht er  aus Bambusstreifen Schutzkörbe für Bäume. „Ich mache das seit vier Jahren, ganz alleine und auf eigene Rechnung; nur auf Bestellung, kleine und große Aufträge. Ich kann so viel verarbeiten, wie ich heranschaffen kann.“

Der große Korb kostet 1.000 FCFA (1,50 Euro), der kleine 750 FCFA. Einen Auftrag für 20 Schutzkörbe hat er gestern fertig gestellt. Jetzt arbeitet er an einem neuen Auftrag, wieder für 20 Stück.

Auf der anderen Seite des Gebirges, fast zehn Kilometer entfernt, befindet sich ein großer Bambuswald. Dort kann jeder so viel Bambus schlagen, wie er will. Vor sechs Uhr früh bricht Mamadou Coulibaly auf. Zwei Stunden braucht er für den Aufstieg, um den Bambus auszusuchen und zu schlagen. Für den Abstieg braucht er 2,5 Stunden. Rast macht er auf halbem Wege, da wo das Wasser aus der Quelle den Berg hinunter läuft.

„Ich kann 10 Bambusstangen auf dem Kopf tragen.“ Der Weg ist weit, steinig und überaus beschwerlich. In normalen Zeiten macht er das zwei Mal die Woche. Ist viel zu tun, geht er vier, oder manchmal sogar fünf mal die Woche.

Mamadou Coulibaly stammt aus Siby, Sabacoro, drei Kilometer von seinem schattigen Arbeitsplatz entfernt. Er ist mit einer einzigen Frau verheiratet und hat sechs Kinder.  Auf die Frage nach seinem Alter antwortet er: „Da muss ich auf meinem Personalausweis nachschauen“, seiner carte d’identité. Er ist 42 Jahre alt. 

„Früher habe ich auf dem Feld gearbeitet“, sagt Mamadou Coulibaly, „aber mit dieser Arbeit verdiene ich mehr und habe ein besseres Auskommen. Zur Zeit gibt es eine große Nachfrage nach meinen Körben.“

Der Ast des Néré

In Tiencoura, einem Viertel von Siby, lebt die Familie Koné auf einem großen Hof, vier Brüder mit ihren Frauen und Kindern. Oumou Camara, 28 Jahre alt, hat vier Kinder mit dem jüngsten Sohn der Familie. Eine Schule hat sie nie besucht. Ist sie die einzige Ehefrau des jüngsten Bruders? „Bislang ja“ sagt sie, „in Zukunft wird er sicher noch eine andere heiraten – bis zu vier Frauen darf er“. Dann fügt sie mit einem Lächeln hinzu: „Bei uns ist das noch immer so.“

Die Felder der Familie,  insgesamt zehn  Hektar, ein Erbe des Ururgroßvaters, liegen fünf Kilometer südlich von Siby an der Piste nach Congola. Im zweijährigen Fruchtwechsel baut die Familie hier Hirse, Mais und Erdnüsse an.

 Auf diesen Feldern sind vier Frauen bei der Feldarbeit als sie während eines plötzlich aufkommenden Unwetters ein brechendes Geräusch in ihrer Nähe hören. Sobald der Sturm sich legt, gehen sie nachschauen.

Von einem hohen, wild gewachsenem Néré – Baum (Parkia biglobosa – bis zu 30 Meter hoch, Stamm-Durchmesser bis zu 130 cm) am Rande ihres Feldes ist ein riesiger Ast abgebrochen, von der Größe eines Baumstamms.

Als erstes suchen die Frauen einen großen Stein und wuchten ihn auf den abgebrochenen Ast. Bei den hier ansässigen Malinke das traditionelle Zeichen: „Nicht anrühren, der gehört uns.“

Eine Woche später rücken die vier Frauen mit ihren Buschmessern dem mächtigen Ast zu Leibe und hacken ihn in Stücke. Mit einem Katakatani (chinesisches motorisiertes Dreirad mit Pritsche) lassen sie das Holz ins Dorf abfahren und teilen es untereinander auf. Die 6 Fuhren kosten 15.000 FCFA (20 Euro).

Um die großen, schweren Aststücke in handbares Brennholz für die Küche zu zerteilen, brauchen die Frauen eine ganze Woche. Das Feuerholz, so schätzen sie, reicht jeder von ihnen mehrere Monate.

Waga

Mamadou Li ist Pheul und lebt im Osten des Dorfes Kamale, 5 Kilometer vor Siby. Mamadou Li fertigt Reetmatten an, zwei Meter hoch und vier Meter lang. Das Material, Schilf, wächst  während der Regenzeit in den Niederungen an den Bachläufen und trocknet danach.

Erst im trockenen Zustand wird das Reet geschnitten, gesäubert und zu Matten verarbeitet, Waga genannt. Sie werden überall gebraucht: als Zäune, um Schuppen zu decken, als Schattendächer. Auf den großen Sattelschleppern, die nach Mauretanien fahren, benutzt man diese Matten als Unterlage auf den Ladeflächen.

Mamadou Li versucht, immer genug Reet für die Fertigung von zwei Matten herbei zu schaffen. Um am Bachrand Stellen zu finden, die vom Vieh nicht niedergetrampelt worden sind, muß er bis zu zehn Kilometer auf seinem Motorrad zurücklegen. Das tut er alle zwei Tage.

Vor Ort säubert er den Reet von den Blättern und sortiert die Stiele nach Länge bevor er sie bündelt, Material für zwei Matten. Am liebsten würde Mamadou das ganze Jahr über Matten herstellen. Aber in den drei Monaten vor Beginn der Regenzeit wird das Reet knapp: „Meine Feinde sind vor allem die Kühe. Die fressen es.“ 

Diese großen Matten herzustellen ist reine Männerarbeit. „Ich habe noch nie eine Frau gesehen, die Reetmatten herstellt“, sagt Mamadou. Das Handwerk hat er von seinem Vater gelernt. Der tat das sein Leben lang.

Die Matte verkauft er momentan für 3.500 FCFA (5.30 Euro). Wenn Termiten sie nicht zernagen, hält sie drei bis vier Jahre. 

Ein Gewerbe so alt wie die Menschheit. 

Boumbou Baum

Massama Camara aus Guéna ist Bauer, 56 Jahre alt. Zur Schule ging er ein Jahr lang.

In der letzten Saison hat er drei Hektar Hirse und zwei Hektar Erdnüsse angebaut. Die Erdnussernte war bescheiden, es gab zu wenig Regen.

Wir begegnen Massama Camara in den ersten Dezembertagen am Eingang des Dorfes Guéna. Er schiebt sein Fahrrad. An dem ist eine extrem lange Stange festgebunden, mit einem Haken am Ende. Sein Werkzeug. Mit ihr pflückt er die weit oben blühenden Blüten des Boumbou Baums ab.

Diesen einen, hohen, ausladenden Baum, kennt Massama Camara seit langem. Es handelt sich um den bombax costatum, auch roter oder falscher Kapokbaum genannt. Er blüht ein Mal im Jahr; immer nach der Regenzeit. Vom gleichen Baum erntet er die Blüten nur zwei oder drei Mal, nicht öfter. Es gibt noch weitere Boumbou Bäume um das Dorf herum. Sie blühen nicht am gleichen Tag, sondern nach und nach.

Die großen roten Blüten enthalten einen Wirkstoff, „der macht Kinder intelligent, Jungen wie Mädchen. Das weiß man seit langem.“ Die Blüten lässt Massama Kamara in der Sonne trocknen und zerstößt sie danach zu Puder. „Dieses Puder gibt man vorsichtig ins Wasser und wäscht sich damit.“

Das Pulver aus den fünf Blüten, die er heute geerntet hat, sagt Massama Camara, reicht einem Mädchen, um sich vier Mal damit zu waschen; bei einem Jungen drei Mal.

Sein Produkt verkauft Massama Camara hauptsächlich in Bamako.

Das Pulver wird auch sonst in der traditionellen Medizin verwandt; gegen Durchfall, zu Wundbehandlung und bei schweren Geburten.

Gombo 

„Ich habe dieses Jahr auf einem halben Hektar Gombo (= Okra) angebaut“, sagt Makan Camara aus dem Dorf Djiguidala, 16 km von Siby entfernt. Mit zwei großen Säcken klein geschnittenem Gombo auf dem Gepäckträger seines Motorrads braucht er jetzt in der Regenzeit anderthalb Stunden zum Markt in Siby, in der Trockenzeit schafft er den Weg in weniger als einer Stunde.

Gombo ist in Mali ein begehrtes Gemüse. Die malische Küche besteht immer aus einem Grundnahrungsmittel wie Hirse, Mais, Fonio (Hungerweizen) oder Reis und einer Sauce, häufig aus grünen Blättern. Neben Zwiebeln,Tomaten und Kräutern gibt man der Sauce gerne eine Handvoll Gombo bei, meist getrocknet und in kleinste Stücke geschnitten. Gombo enthält pflanzliche Schleimstoffe und macht die Sauce sämig.

Den getrockneten Gombo verkauft Makan Kamara auf dem Wochenmarkt in Siby am Samstag und dem von Bankoumana am Montag. Ein kleinstes Schälchen voll Gombo kostet 100 FCFA (15 Cent). Die Plastikschüssel voll Gombo, etwa 1 kg, 1.250 FCFA (2 Euro). Am Markttag in Siby brachte die aufgehäufte Menge Gombo (Foto) einen Erlös von 20.000 FCFA (30 Euro).

Gombo, ein Malvengewächs, das vielleicht älteste Gemüse Afrikas, wächst auf Sträuchern. Jeder Trieb bringt eine oder mehr Blüten hervor, aus der die grüne Frucht entsteht. Die Früchte reifen nach und nach. Man erntet sie über viele Wochen ab. An manchen Sträuchern lässt man eine besonders pralle Schote ausreifen und trocknen: das Saatgut für die nächste Saison. Für einen Viertel Hektar benötigt man etwa 2 kg davon.

Okra braucht zwar nicht viel Platz, macht aber viel Arbeit: jäten, ernten, schneiden, hacken und trocknen (mehrere Tage an der Sonne). Dabei muss die ganze Familie helfen.

Makan Kamara ist  Bauer, 59 Jahre alt. Er ging sieben Jahre lang zur Schule. Mit seiner Frau hat er sieben Kinder. Auch sein Vater war Bauer und hat auf seinen Feldern (sieben Hektar) Hirse, Mais, Baumwolle, Reis und Erdnüsse angebaut. „In diesem Jahr habe ich nur vier Hektar bestellt, zu mehr hat das Geld nicht gereicht“; auf zwei Hektar Hirse und je einen Hektar Bohnen und Erdnüsse, plus  eben ein Viertel Hektar Gombo.

Komon

In den heißen Monaten April und Mai trocknen die kleinen Flussbetten am Fuße des Gebirges aus. Die Welse graben sich dann in den feuchten Schlamm der tiefsten Stellen ein und überleben so.

Mit dem Einsetzen der Regenzeit füllen die vom Mandingo Plateau herunter fließenden Wasser die flachen Bodensenken allmählich wieder auf und diese schwellen zu kleinen Seen an. In der Umgebung des  Dorfes Gonsolo sind es fünf an der Zahl: Terement, Gonsoloba, N`Khô, Doguógnè und Kôba. 

Nun gilt es, den richtigen Zeitpunkt für den gemeinsamen Fischfang zu bestimmen: Die Welse müssen sich bereits vom Schlamm befreit haben und im trüben Wasser schwimmen, aber noch dicht genug gedrängt sein, um sie fast mit Händen greifen zu können. Den Zeitpunkt bestimmt der eigens dafür gewählte chef de coûtume „seit mehr als hundert Jahren“. Für jeden der fünf Seen findet der gemeinsamen Fischfang (Komon = den Teich ausfischen) an einem bestimmten Tag statt.

Für den See Terement – der erste in dieser Saison – fiel der Tag auf Montag, den 12. Juni. Früh am Morgen informierte der Sohn des chef de coûtume die Dorfbevölkerung. Frauen und Mädchen machten sich auf den Weg, Männer und Jungen waren in der Minderzahl. Jede(r) hatte ein Netz oder einen Korb in der Hand oder über der Schulter. Alle eilten ins seichte Wasser und warteten auf das Zeichen zum Beginn des Fangs.

Frauen benutzen dafür traditionell einen Korb (Susu), stoßen diesen fest nach unten in den Schlamm und fühlen mit der Hand, ob ein Fisch gefangen ist. Männer haben traditionell ein Netz (Djôn) und fahren damit über den schlammigen Boden. – Heute ist die Aufteilung der Fanggeräte zwischen Mann und Frau weitgehend aufgelöst.

Der Fisch wird zu Hause verzehrt und nicht verkauft.

Polygame Verhältnisse 

Sata Diarra sitzt im Hof und schält Erdnüsse. Sie ist die erste Ehefrau ihres Mannes, mit 56 Jahren die Älteste auf dem Hof und hat das Sagen.

Sata Diarra stammt aus dem Dorf Samako. Der Hof ihrer Eltern liegt nicht weit von dem ihres Mannes entfernt. Hier sind alle Bauern. Weder ihre sechs Geschwister sind zur Schule gegangen, noch sie; auch keines ihrer eigenen Kinder. – Wieviel Enkelkinder hat sie? „Es sind viele. Ich habe sie nicht gezählt.“

„Meinen Ehemann haben meine Eltern ausgesucht.“ Da war sie 22 Jahre alt. Ihr zukünftiger Mann war neun Jahre älter als sie. „Die Männer haben nicht früh geheiratet.“ Auch ihr Mann ist Bauer, wie seine Vorfahren. „Wir leben vom Ackerbau. Wir bauen Hirse an, Mais und Bohnen.“ Baumwolle war oft mit dabei; dieses Jahr aber nicht, denn es gab keinen Dünger.

Nach fünf Jahren Ehe und vier Kindern – sechs weitere kamen noch hinzu – nahm ihr Mann eine zweite Frau. Diese Ehe blieb kinderlos. Von Satas zehn Kindern, fünf Jungen und fünf Mädchen, starben drei im Babyalter. Bis auf eine Tochter sind alle verheiratet.

Weitere fünf Jahre später heiratete ihr Mann eine dritte, deutlich jüngere Frau aus einem Nachbardorf. Mit ihr hat er fünf Kinder, davon ein Baby, erst kürzlich geboren. 

In einem langgezogenen, ebenerdigen, mit Wellblech gedeckten Lehmhaus haben die drei Ehefrauen nebeneinander je ein Zimmer identischer Ausstattung: „gleiche Größe, gleiches Bett“. Der Ehemann schläft bei jeder Frau jeweils zwei Nächte.

„Wir haben keine Probleme miteinander“, sagt Sata Diarra. Ihr Couscous trocknet in der Sonne. Die Hirse, aus dem der Couscous gemacht wird, stammt aus eigener Ernte. Den Couscous wird sie an der Strasse vorne im Ort verkaufen.

Satas eigener Speicher ist randvoll mit Erdnüssen gefüllt. Um das tägliche Kochen muss sie sich nicht mehr kümmern. „Meine Schwiegertochter kocht an meiner Stelle.“ So will es die Tradition: Die Frau ihres ältesten Sohnes hat diesen Teil ihrer Rolle übernommen.

Eine Getreidemühle in Kalassa

Nach zwei Jahren Wanderschaft kehrte Tennemorie Kanté, 24 Jahre alt, auf Wunsch seines Vaters nach Kalassa zurück und betreibt seitdem dessen dortige Getreidemühle. Alle Einnahmen gehen an den Vater; zwischen 4 und 5.000 FCFA (6 bis 7 Euro) am Tag  „Einen festen Lohn zahlt mir mein Vater nicht, aber er kommt für meine Ausgaben auf.”

in Kalassa gibt es etwas mehr als 30 Großfamilien, jede besteht aus mehr als 30 Personen. Fast alle kommen zur Mühle und lassen das Getreide mahlen. Dass Frauen ihr Getreide noch im Mörser stampfen, ist in Kalassa selten. 

In Betrieb ist die Mühle an jedem Tag der Woche nach dem Arbeitsrhythmus der Frauen und den Essenszeiten der Familien: zwei Stunden am frühen Morgen und eine Stunde am späteren Nachmittag. Es sind fast ausnahmslos Frauen und Mädchen die Getreide mahlen lassen. Um acht Uhr morgens setzt Tennemorie Kanté die Getreidemühle in Gang. Mehrere Frauen warten bereits. Andere haben ihre Schüsseln mit Getreide abgestellt. Jede Frau kennt ihre Zeit, ihre Schüssel und ihren Platz. 

Frauen mit zwei Schüsseln oder mehr kommen einmal am Tag. Wer morgens nur eine Schüssel Getreide zum Mahlen bringt, kommt nachmittags für das Abendessen wieder. An einem der Morgen sind es: zehn Schüsseln Hirse, zwei Schüsseln Mais und eine Schüssel Sorghum. Der Mais kostet am wenigsten und wird deshalb am häufigsten gegessen: in aufsteigender Linie folgen Sorghum und Hirse. Reis ist am einfachsten zuzubereiten und am teuersten. Vor der Fastenzeit überwogen Mais und Sorghum. Jetzt in der Fastenzeit wird mehr Hirse gegessen; die ist nahrhafter. An manchen Tagen werden auch trockene weiße Bohnen gemahlen, daraus stellen die Frauen am Markttag Fari her.

Abgerechnet wird nach Hohlmaß. Landesweit gängig ist die große, flache Dose für italienisches Tomatenpürée mit einem Volumen von zwei Litern. Die Mahlgebühren kosten 50 FCFA (7,5 Cent) pro Dose.

Kantés Familie zählt zu den besser situierten. Hier wechseln die Mahlzeiten von Tag zu Tag: Montag Reis, Dienstag Mais, Mittwoch Hirse oder Sorghum. Kante sagt: „Wie bei uns, essen in Kalassa nur wenige.“

 Lôko 2 

Im Februar und März ist die Ernte beendet und die Speicher sind (hoffentlich) gut gefüllt. Das ist die Zeit, um Feuerholz zu sammeln, Lôko auf Bambara.

Die Frauen ziehen alleine oder in Gruppen los. Sie suchen im Busch das wild gewachsene Holz und schaffen damit den Jahres-Vorrat für die Küche. Es gibt zwar Männer, die den Frauen helfen, aber Holz sammeln ist Frauenarbeit.

Die Frauen sammeln hauptsächlich totes Holz, scheuen sich aber auch nicht, Äste abzuhacken. Sie schleppen das Holz an den Wegesrand und schichten es dort auf, um es später selbst zu holen oder abtransportieren zu lassen.

Wer schwere Lasten auf dem Kopf trägt, kann diese nicht selbst dorthin heben. Man braucht dafür eine oder zwei Personen, die die Last anheben und auf dem Kopf ausbalancieren. Dies gilt umso mehr, wenn die Last aus mehreren Teilen besteht, wie beim Holz.

Die Stapel, die Frauen aus dem Busch nach Hause tragen, sind unvorstellbar schwer. Der Weg darf für diese Last nicht zu weit sein und nicht zu uneben. Der Blick der Frau geht nämlich nur geradeaus. Nach unten, wohin sie gerade tritt, kann sie nicht schauen. Um dieser schweren Mühe zu entkommen, muss sie sich einen Handkarren leisten oder leihen können.

Wenn Frauen Feuerholz sammeln, sagt die Forstpolizei Eaux et Forêts nichts. Ganz anders bei den Männern: Wenn Männer Holz sammeln, tun sie es, um es zu verkaufen. Dafür brauchen sie eine Lizenz und die kostet Geld.

Von Januar bis März ist auch die Zeit um Lehmziegel herzustellen, neue Gebäudeteile zu bauen oder alte instandzusetzen. – Und die Zeit zum Heiraten.