Polygame Verhältnisse 

Sata Diarra sitzt im Hof und schält Erdnüsse. Sie ist die erste Ehefrau ihres Mannes, mit 56 Jahren die Älteste auf dem Hof und hat das Sagen.

Sata Diarra stammt aus dem Dorf Samako. Der Hof ihrer Eltern liegt nicht weit von dem ihres Mannes entfernt. Hier sind alle Bauern. Weder ihre sechs Geschwister sind zur Schule gegangen, noch sie; auch keines ihrer eigenen Kinder. – Wieviel Enkelkinder hat sie? „Es sind viele. Ich habe sie nicht gezählt.“

„Meinen Ehemann haben meine Eltern ausgesucht.“ Da war sie 22 Jahre alt. Ihr zukünftiger Mann war neun Jahre älter als sie. „Die Männer haben nicht früh geheiratet.“ Auch ihr Mann ist Bauer, wie seine Vorfahren. „Wir leben vom Ackerbau. Wir bauen Hirse an, Mais und Bohnen.“ Baumwolle war oft mit dabei; dieses Jahr aber nicht, denn es gab keinen Dünger.

Nach fünf Jahren Ehe und vier Kindern – sechs weitere kamen noch hinzu – nahm ihr Mann eine zweite Frau. Diese Ehe blieb kinderlos. Von Satas zehn Kindern, fünf Jungen und fünf Mädchen, starben drei im Babyalter. Bis auf eine Tochter sind alle verheiratet.

Weitere fünf Jahre später heiratete ihr Mann eine dritte, deutlich jüngere Frau aus einem Nachbardorf. Mit ihr hat er fünf Kinder, davon ein Baby, erst kürzlich geboren. 

In einem langgezogenen, ebenerdigen, mit Wellblech gedeckten Lehmhaus haben die drei Ehefrauen nebeneinander je ein Zimmer identischer Ausstattung: „gleiche Größe, gleiches Bett“. Der Ehemann schläft bei jeder Frau jeweils zwei Nächte.

„Wir haben keine Probleme miteinander“, sagt Sata Diarra. Ihr Couscous trocknet in der Sonne. Die Hirse, aus dem der Couscous gemacht wird, stammt aus eigener Ernte. Den Couscous wird sie an der Strasse vorne im Ort verkaufen.

Satas eigener Speicher ist randvoll mit Erdnüssen gefüllt. Um das tägliche Kochen muss sie sich nicht mehr kümmern. „Meine Schwiegertochter kocht an meiner Stelle.“ So will es die Tradition: Die Frau ihres ältesten Sohnes hat diesen Teil ihrer Rolle übernommen.

87 / Mai 2023