Ein ambulanter Händler

Mamadou Diallo, 26 Jahre alt, stammt aus dem Ort Djalakoroba, 30 km von Bamako entfernt in Richtung Sikasso. Dort ging er 4 Jahre lang zur Koranschule. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder, die leben mit seiner Frau im Dorf. Ungefähr alle zwei Wochen sieht er seine Familie. „So ist das, ich habe das so entschieden.“ Seine Frau ist Händlerin wie er. Sie betreibt eine kleine Boutique im Dorf und handelt mit den gleichen Waren wie ihr Mann.

Mit dem Handel hat  Mamadou Diallo vor etwa 10 Jahren in Bamako angefangen. „Das Geld dafür habe ich mir in den Goldminen zusammen gespart.“ Dort hat er zwei Jahre lang  gearbeitet, zusammen mit seinem älteren Bruder. Er selbst war 15 Jahre alt, der Bruder 25. „Das war eine harte Zeit.“ Mit der Lampe auf dem Kopf, haben sie bis 25 Meter Tiefe abgeteuft. „Zehn Stunden pro Tag. Nach zwei Stunden zieht man am Seil und wechselt sich ab. Da setzt man sein Leben aufs Spiel. Drei Mal am Tag unten.“ 

In den Goldminen blieb Mamadou Diallo zwei Jahre lang und verdiente in dieser Zeit 2 Mio. FCFA (3.000 Euro). Das war 2016. Die Hälfte des Geldes gab er für einen Golddetektor aus. Die andere Hälfte für ein Dreirad mit Pritsche. 

So begann Mamadou Diallo mit dem ambulanten Handel. Sein Betriebskapital waren damals 75.000 FCFA (knapp 120 Euro). Er verkauft alle Arten haltbarer Lebensmittel, Süssigkeiten, Kaugummi, Bonbons, Schokolade, Zahnbürsten und Zahnpasta. Der Warenwert liegt inzwischen bei rund 350.000 FCFA (500 Euro). Mamadou Diallo hat 18 feste Kunden, alles Wiederverkäufer. Einer davon hat einen kleinen Dorfladen in Kamale. Dort sind wir ihm begegnet.

An diesem Morgen (gegen zehn Uhr) hat er hier Ware für 50.000 FCFA  (75 Euro) verkauft: unter anderem 25 kleine Ladegeräte für Mobiltelefone, sechs Zahnbürsten und sechs Tuben Zahnpasta. „Wir kennen uns schon lange, er ist seit Jahren mein Kunde.“ 

Wenn er nicht zu Hause im Dorf ist, lebt Mamadou Diallo in Bamako. „Jeden Mittwoch und jeden Samstag gehe ich auf Tour, immer von Bamako bis Kourémalé – 120 km Strecke (an der Grenze nach Guinea). „Um 6 Uhr fahre ich los, zwischen 17 und 18 Uhr bin ich zurück.“

Tikagiranan

Erdnüsse werden nicht roh verzehrt, sondern vor dem Verzehr gekocht (z. B. in Ghana) oder geröstet (z. B. in Mali). Auch die pâte d’arrachide, die in ganz Mali beliebte Erdnuss-Soße, stellt man aus gerösteten Erdnüssen her. Erst die Röstung ergibt das Aroma.

Auf dem Land benutzt man dafür eine auf einem eisernen Untergestell eingehakte und über offener Glut platzierte Rösttrommel aus Blech, Tikagiranan, die über dem Feuer kontinuierlich zu drehen ist.

Eine solche Trommel fasst bis zu 25 kg Erdnüsse. Man muss sie möglichst langsam und gleichmäßig über der Glut drehen. Für eine Ladung mit 25 kg braucht man ungefähr zwei Stunden, für eine mit 20 kg etwa anderthalb Stunden. Zwischendurch werden Proben entnommen, um den Grad der Röstung zu prüfen.

Mariam Kamara aus Congola hat sich gemeinsam mit zwei Nachbarinnen bei einer anderen Frau im Dorf eine Tikagiranan geliehen. Für einen Tag berechnet die einen Mietpreis von 250 FCFA (40 Cent). Den teilen sich die drei. Bargeld ist immer und immer extrem knapp, selbst bei so kleinen Beträgen.

Als wir den Hof betreten, ist die erste Röstung fast beendet. Jetzt ist Mariam Kamara an der Reihe. Sie röstet für ihre eigene Familie. Von diesen Erdnüssen, sagt sie, werden sie alle über die gesamte Regenzeit essen. Ihr Ehemann ist Bauer. Er pflanzt auf 2 Hektar Mais an und auf weiteren 2 Hektar Hirse, petit mil

Die Frauen sind guter Stimmung.  Eine dreht gerade die Rösttrommel, sie hat 7 Kinder. Die andere Frau sagt voll Stolz: „Ich habe mehr. Ich habe 12“, 4 Mädchen und 8 Jungen.

Wie überall in diesen Tagen sprechen die Frauen unter einander über die Vorbereitungen auf das am 17. Juni unmittelbar bevorstehende islamische Opferfest Tabaski.

„Wir werden Fleisch braten“, sagen sie und „man muss sich die Haare dafür besonders schön machen, um dem Ehemann zu gefallen“, lachen und wiederholen „wir werden Fleisch braten“.

Regenzeit im Mandé  

Am 18. Juni regnete es zum zweiten Mal, „ganz gut, aber nicht reichlich“, einen Tag später zum dritten Mal, „weniger als gestern“. Am 24. Juni endlich kam der große Regen, auf den alle gewartet haben. Am Nachmittag fing er an und hörte bis zum Mittag des nächsten Tages nicht auf.

Damit beginnt die Anbausaison. Die Bauern fangen an zu pflügen und zu säen; erst die Hirse, dann den Mais. „Wer keine Hirse sät, fängt gleich mit dem Mais an“, sagt Brehima Coulibaly. Wer schon gepflügt hat, sät ab heute. „Das Samenkorn keimt innerhalb von 4 bis 5 Tagen.“

In der Nähe von Siby wie in der anderer Dörfer empfiehlt sich das jedoch nicht, solange die Dorfbewohner sich nicht geeinigt haben, ab wann das Vieh einzusperren ist. Erst wenn kein Tier mehr frei herum läuft, beginnt die Feldarbeit zu 100 Prozent.

Am 20. Juni hat der Dorfchef die Versammlung einberufen. Nach der Versammlung schickte er den Dorfschreier, einen homme de caste (Mann der Handwerkerkaste) „seit Jahren der selbe“, mit dem Lautsprecher durch den Ort: „Ich bin das Sprachrohr des Dorfchefs und informiere alle Tierhalter: Schafe, Ziegen, Rinder und Esel sind bis spätestens 28. Juni einzusperren.“ Er nennt immer die genaue Frist, sie darf nie länger als eine Woche sein.

In jedem Quartier von Siby wird ab dem 29. Juni eine Gruppe junger Männer beauftragt, auf Streife zu gehen und frei herumlaufende Tiere aufzugreifen und an einem Sammelplatz zu bringen.

„Jedes Jahr gibt es Familien, die ihre Tiere frei kaufen müssen.“ Pro Rind oder Esel werden 1.000 FCFA (1,50 Euro) fällig, für Schaf oder Ziege 750 FCFA (1.10 Euro). Die Strafen kassiert der Dorfchef. Das Geld wandert in die Dorfkasse und wird in einer „verschlossenen Kassette“ verwahrt.

Ein Gemeinschaftsgarten in Sinda

Der Gemüsegarten von einem halben Hektar gehört der Familie Kamara und liegt neben deren Hof im Dorf Sinda, 7 km östlich von Siby. Acht Frauen der Familie haben hier ihre Beete, darunter auch Assietou Traoré verheiratete Kamera. „Den Garten gibt es seit mehr als zwanzig Jahren“, sagt ihre Schwiegermutter. Die Frauen düngen mit Kuhmist. Die Kühe sind nicht weit. Man sieht sie auf den Weiden auf dem Weg zu den Gärten.

Von den vier Schachtbrunnen geben zwei nur während der Regenzeit Wasser, die anderen zwei haben jetzt im Februar Wasser in 13 Meter Tiefe.

Sobald die große Hitze einsetzt, wird die Bewässerung täglich schwieriger. Ab Februar, März wächst die Konkurrenz unter den Frauen um das Wasser. Jede versucht, der anderen zuvor zu kommen, um sich Wasser für ihre Beete zu sichern. Assietou steht dann schonmal um 4 Uhr auf und trifft zuweilen bereits auf andere Frauen. Das führt leicht zu Streitereien untereinander, aber nicht zu echten Zerwürfnissen, sagt sie.

Assietou ist 23 Jahre alt. 9 Jahre lang hat sie die Schule in Siby besucht. Eigentlich wollte sie weiter zur Schule gehen, schaffte aber den Hauptschulabschluss nicht, das Diplome d’Education Fondamentale (DEF). Mit 18 Jahren heiratete sie in die Familie Kamera und hat inzwischen drei Kinder.

Auf ihrer Gartenfläche, 120 qm (20 x 6 ) pflanzt Assietou drei Gemüsesorten an: Blattsalat, Süßkartoffeln und Amarante, deren Blätter wie Spinat für die grüne Sauce verwandt werden.

Am Markttag noch vor 6 Uhr hat Assietou die Salatblätter geerntet und war um 10 Uhr auf dem (neuen) Markt in Tabou, 13 km entfernt. „Ich habe 8.000 FCFA (12 Euro) eingenommen“, gerechnet hatte sie mit 13.500 FCFA (20 Euro). Der Transport hin und zurück hat 600 FCFA (90 Cent) gekostet und eine kleine Mahlzeit auf dem Markt 500 FCFA (75 Cent).

Alle Frauen gehören zur selben Großfamilie, die täglich gemeinsam isst. Jeden Mittag und jeden Abend werden in einem großen Kessel, 25 kg Mais oder Hirse oder manchmal auch Reis gekocht.

Der Korbflechter

Mamadou Coulibaly arbeitet jeden Tag am gleichen Ort unter den Mangobäumen von Dissoumana. Hier flicht er  aus Bambusstreifen Schutzkörbe für Bäume. „Ich mache das seit vier Jahren, ganz alleine und auf eigene Rechnung; nur auf Bestellung, kleine und große Aufträge. Ich kann so viel verarbeiten, wie ich heranschaffen kann.“

Der große Korb kostet 1.000 FCFA (1,50 Euro), der kleine 750 FCFA. Einen Auftrag für 20 Schutzkörbe hat er gestern fertig gestellt. Jetzt arbeitet er an einem neuen Auftrag, wieder für 20 Stück.

Auf der anderen Seite des Gebirges, fast zehn Kilometer entfernt, befindet sich ein großer Bambuswald. Dort kann jeder so viel Bambus schlagen, wie er will. Vor sechs Uhr früh bricht Mamadou Coulibaly auf. Zwei Stunden braucht er für den Aufstieg, um den Bambus auszusuchen und zu schlagen. Für den Abstieg braucht er 2,5 Stunden. Rast macht er auf halbem Wege, da wo das Wasser aus der Quelle den Berg hinunter läuft.

„Ich kann 10 Bambusstangen auf dem Kopf tragen.“ Der Weg ist weit, steinig und überaus beschwerlich. In normalen Zeiten macht er das zwei Mal die Woche. Ist viel zu tun, geht er vier, oder manchmal sogar fünf mal die Woche.

Mamadou Coulibaly stammt aus Siby, Sabacoro, drei Kilometer von seinem schattigen Arbeitsplatz entfernt. Er ist mit einer einzigen Frau verheiratet und hat sechs Kinder.  Auf die Frage nach seinem Alter antwortet er: „Da muss ich auf meinem Personalausweis nachschauen“, seiner carte d’identité. Er ist 42 Jahre alt. 

„Früher habe ich auf dem Feld gearbeitet“, sagt Mamadou Coulibaly, „aber mit dieser Arbeit verdiene ich mehr und habe ein besseres Auskommen. Zur Zeit gibt es eine große Nachfrage nach meinen Körben.“

Der Ast des Néré

In Tiencoura, einem Viertel von Siby, lebt die Familie Koné auf einem großen Hof, vier Brüder mit ihren Frauen und Kindern. Oumou Camara, 28 Jahre alt, hat vier Kinder mit dem jüngsten Sohn der Familie. Eine Schule hat sie nie besucht. Ist sie die einzige Ehefrau des jüngsten Bruders? „Bislang ja“ sagt sie, „in Zukunft wird er sicher noch eine andere heiraten – bis zu vier Frauen darf er“. Dann fügt sie mit einem Lächeln hinzu: „Bei uns ist das noch immer so.“

Die Felder der Familie,  insgesamt zehn  Hektar, ein Erbe des Ururgroßvaters, liegen fünf Kilometer südlich von Siby an der Piste nach Congola. Im zweijährigen Fruchtwechsel baut die Familie hier Hirse, Mais und Erdnüsse an.

 Auf diesen Feldern sind vier Frauen bei der Feldarbeit als sie während eines plötzlich aufkommenden Unwetters ein brechendes Geräusch in ihrer Nähe hören. Sobald der Sturm sich legt, gehen sie nachschauen.

Von einem hohen, wild gewachsenem Néré – Baum (Parkia biglobosa – bis zu 30 Meter hoch, Stamm-Durchmesser bis zu 130 cm) am Rande ihres Feldes ist ein riesiger Ast abgebrochen, von der Größe eines Baumstamms.

Als erstes suchen die Frauen einen großen Stein und wuchten ihn auf den abgebrochenen Ast. Bei den hier ansässigen Malinke das traditionelle Zeichen: „Nicht anrühren, der gehört uns.“

Eine Woche später rücken die vier Frauen mit ihren Buschmessern dem mächtigen Ast zu Leibe und hacken ihn in Stücke. Mit einem Katakatani (chinesisches motorisiertes Dreirad mit Pritsche) lassen sie das Holz ins Dorf abfahren und teilen es untereinander auf. Die 6 Fuhren kosten 15.000 FCFA (20 Euro).

Um die großen, schweren Aststücke in handbares Brennholz für die Küche zu zerteilen, brauchen die Frauen eine ganze Woche. Das Feuerholz, so schätzen sie, reicht jeder von ihnen mehrere Monate.

Waga

Mamadou Li ist Pheul und lebt im Osten des Dorfes Kamale, 5 Kilometer vor Siby. Mamadou Li fertigt Reetmatten an, zwei Meter hoch und vier Meter lang. Das Material, Schilf, wächst  während der Regenzeit in den Niederungen an den Bachläufen und trocknet danach.

Erst im trockenen Zustand wird das Reet geschnitten, gesäubert und zu Matten verarbeitet, Waga genannt. Sie werden überall gebraucht: als Zäune, um Schuppen zu decken, als Schattendächer. Auf den großen Sattelschleppern, die nach Mauretanien fahren, benutzt man diese Matten als Unterlage auf den Ladeflächen.

Mamadou Li versucht, immer genug Reet für die Fertigung von zwei Matten herbei zu schaffen. Um am Bachrand Stellen zu finden, die vom Vieh nicht niedergetrampelt worden sind, muß er bis zu zehn Kilometer auf seinem Motorrad zurücklegen. Das tut er alle zwei Tage.

Vor Ort säubert er den Reet von den Blättern und sortiert die Stiele nach Länge bevor er sie bündelt, Material für zwei Matten. Am liebsten würde Mamadou das ganze Jahr über Matten herstellen. Aber in den drei Monaten vor Beginn der Regenzeit wird das Reet knapp: „Meine Feinde sind vor allem die Kühe. Die fressen es.“ 

Diese großen Matten herzustellen ist reine Männerarbeit. „Ich habe noch nie eine Frau gesehen, die Reetmatten herstellt“, sagt Mamadou. Das Handwerk hat er von seinem Vater gelernt. Der tat das sein Leben lang.

Die Matte verkauft er momentan für 3.500 FCFA (5.30 Euro). Wenn Termiten sie nicht zernagen, hält sie drei bis vier Jahre. 

Ein Gewerbe so alt wie die Menschheit. 

Boumbou Baum

Massama Camara aus Guéna ist Bauer, 56 Jahre alt. Zur Schule ging er ein Jahr lang.

In der letzten Saison hat er drei Hektar Hirse und zwei Hektar Erdnüsse angebaut. Die Erdnussernte war bescheiden, es gab zu wenig Regen.

Wir begegnen Massama Camara in den ersten Dezembertagen am Eingang des Dorfes Guéna. Er schiebt sein Fahrrad. An dem ist eine extrem lange Stange festgebunden, mit einem Haken am Ende. Sein Werkzeug. Mit ihr pflückt er die weit oben blühenden Blüten des Boumbou Baums ab.

Diesen einen, hohen, ausladenden Baum, kennt Massama Camara seit langem. Es handelt sich um den bombax costatum, auch roter oder falscher Kapokbaum genannt. Er blüht ein Mal im Jahr; immer nach der Regenzeit. Vom gleichen Baum erntet er die Blüten nur zwei oder drei Mal, nicht öfter. Es gibt noch weitere Boumbou Bäume um das Dorf herum. Sie blühen nicht am gleichen Tag, sondern nach und nach.

Die großen roten Blüten enthalten einen Wirkstoff, „der macht Kinder intelligent, Jungen wie Mädchen. Das weiß man seit langem.“ Die Blüten lässt Massama Kamara in der Sonne trocknen und zerstößt sie danach zu Puder. „Dieses Puder gibt man vorsichtig ins Wasser und wäscht sich damit.“

Das Pulver aus den fünf Blüten, die er heute geerntet hat, sagt Massama Camara, reicht einem Mädchen, um sich vier Mal damit zu waschen; bei einem Jungen drei Mal.

Sein Produkt verkauft Massama Camara hauptsächlich in Bamako.

Das Pulver wird auch sonst in der traditionellen Medizin verwandt; gegen Durchfall, zu Wundbehandlung und bei schweren Geburten.

Ein Späti in Siby

Mit dem Kleinhandel hat Sitan Touré vor sechs Jahren angefangen, als eine Erkrankung es ihr unmöglich machte, weiter auf den Feldern zu arbeiten.

Ihre Ware kauft Sitan Touré samstags auf dem Wochenmarkt en gros. Zu Hause zerteilt sie diese in kleinste, ja allerkleinste Mengen und verkauft diese en detail zu 25, 50 oder 100 FCFA (5 bis 15 Cent). Ihr Sortiment besteht aus Salz, Maggiwürfel, rohen und gerösteten Zwiebeln, schwarzem Pfeffer, Teebeuteln, Zucker, Okrapuder und Puder aus Baobabblättern, Waschpulver, Seife, Speiseöl, Tomatenpürée, Nudeln, Piment, Bonbons, Pottasche zum Backen, Nescafé, Seife, Dah (Pulver der Malvensamen für die Soße), Karitébutter u.v.m. Reis ist die einzige Ausnahme, den gibt es nur in Mengen à 1.000 FCFA (1.50 Euro für etwa 1 kg). Tabak, Alkohol und Colanüsse gibt es bei ihr nicht zu kaufen

Ihre Kunden sind all die, die sich einen eigenen Einkauf auf dem Markt nicht leisten können.

Sitan Tourés Einnahmen bestehen nur aus kleinen Münzen. Kasse macht sie nicht täglich, wohl aber am Samstag. Denn vom Erlös ihrer Verkäufe bestreitet sie ihre Einkäufe auf dem Markt.

Ihr Warenbestand hat einen Wert von rund 100.000 FCFA  (150 Euro). Ihren Handel betreibt Sitan an sieben Tagen der Woche auf der kleinen Terrasse vor ihrem Zimmer. „Von morgens früh bis abends spät.“ Ihr Zimmer dient als Warenlager. Es sind fast ausschließlich Kinder, meist Mädchen, die geschickt werden. 

Jeden Morgen zwischen 5.30 und 6 Uhr geht Sitan Touré in die Moschee. Danach bewegt sie sich nicht mehr vom Hof, ihr Kleinhandel ist den ganzen Tag bis 22 Uhr geöffnet, manchmal sogar bis Mitternacht.

Sitan Touré ist die erste Ehefrau von Brehima Coulibaly. Mit 17 Jahren wurde sie verheiratet. Wie ihr Ehemann stammt sie aus Siby. Gemeinsam haben sie zwei Töchter und einen Sohn. Ihr Alter? „älter als 60 bald 65“. 

Brehima Coulibaly, ihr Ehemann, sagt: „Sie ist eine außergewöhnliche Frau. Sie regelt all die kleinen Probleme innerhalb der Familie, oft ohne mein Wissen oder Zutun.“

`Kleinvieh macht auch Mist` sagt man auf deutsch. Der Satz gilt in Westafrika um so mehr. Im vergangenen Jahr hat Sitan von ihren Rücklagen zu Tabaski, dem jährlichen Opferfest, für 100.000 FCFA (150 Euro) einen Hammel gekauft. Auch dieses Jahr hat sie Ende Juni, also bereits gut vor dem Fest für 75.000 FCFA (110 Euro) einen Hammel erworben.

Koundiguiyoro

Oumou Camara betreibt  seit vielen Jahren einen der beiden Koundiguiyoro (wörtlich: Kopf-Flecht-Ort) in Siby. Dafür hat sie einen Raum an der Hauptstraße des Ortes gemietet. Mit Ausnahme des Freitag frisiert sie Frauen an allen Tagen der Woche auf dem überdachtem Vorplatz ihres Salons; vor Festtagen drei oder vier Frauen am Tag, mehr schafft sie nicht.

Kunstvolle Frisuren – und für die sind westafrikanische Frauen berühmt – benötigen künstliches Haar. Das stammt meist von Venus Industries im Senegal und ist in ganz Westafrika zu haben. In das feine Kopfhaar wird kleinteilig Kunsthaar eingeflochten. Auch das Kunsthaar selbst wird geflochten, bis es die gewünschte Länge erreicht hat, um es zu einem Knoten zu schlingen oder in anderer Weise zu drapieren. Das  dauert Stunden, selbst wenn zwei Frauen daran arbeiten. Dafür hält die Frisur aber auch zwei Monate oder länger.  

Oumou Camara verlangt für eine Frisur zwischen 1.500 und 4.000 FCFA (2,50 – 6,00 Euro). Hinzu kommen 2.500 FCFA (3,75 Euro) für das Kunsthaar.

Die meisten Frauen lassen sich ihre Haare zu Hause, in der Nachbarschaft, von einer Freundin oder Verwandten flechten. Ohne künstliches Haar dauert das ungefähr eine Stunde.

„Ohne Kopftuch gehe ich nie aus dem Haus. Selbst im Haus trage ich ein Kopftuch oder ein bonnet (Haube). So ist das bei uns. Eine verheiratete Frau geht nicht ohne Kopfbedeckung aus dem Haus, oft auch im Haus selbst nicht.“ Alleine mit dem Ehemann ist das keine Pflicht, aber sobald jemand anders dazu kommt, bedecken Frauen ihren Kopf. „Das ist völlig natürlich für uns“, sagt Salimata, eine ältere Frau aus besserem Haus. Wenn eine Frau das mal vergißt, erinnert der Ehemann sie daran. „Das ist dann wie ein Befehl.“

Vor der Heirat ist das anders. Da geht man mit oder ohne Kopftuch. Das hängt von dem Milieu der Herkunft ab. Nach der aktuell  überwiegenden religiösen Tendenz verdecken inzwischen auch schon junge Mädchen das Kopfhaar.

Gombo 

„Ich habe dieses Jahr auf einem halben Hektar Gombo (= Okra) angebaut“, sagt Makan Camara aus dem Dorf Djiguidala, 16 km von Siby entfernt. Mit zwei großen Säcken klein geschnittenem Gombo auf dem Gepäckträger seines Motorrads braucht er jetzt in der Regenzeit anderthalb Stunden zum Markt in Siby, in der Trockenzeit schafft er den Weg in weniger als einer Stunde.

Gombo ist in Mali ein begehrtes Gemüse. Die malische Küche besteht immer aus einem Grundnahrungsmittel wie Hirse, Mais, Fonio (Hungerweizen) oder Reis und einer Sauce, häufig aus grünen Blättern. Neben Zwiebeln,Tomaten und Kräutern gibt man der Sauce gerne eine Handvoll Gombo bei, meist getrocknet und in kleinste Stücke geschnitten. Gombo enthält pflanzliche Schleimstoffe und macht die Sauce sämig.

Den getrockneten Gombo verkauft Makan Kamara auf dem Wochenmarkt in Siby am Samstag und dem von Bankoumana am Montag. Ein kleinstes Schälchen voll Gombo kostet 100 FCFA (15 Cent). Die Plastikschüssel voll Gombo, etwa 1 kg, 1.250 FCFA (2 Euro). Am Markttag in Siby brachte die aufgehäufte Menge Gombo (Foto) einen Erlös von 20.000 FCFA (30 Euro).

Gombo, ein Malvengewächs, das vielleicht älteste Gemüse Afrikas, wächst auf Sträuchern. Jeder Trieb bringt eine oder mehr Blüten hervor, aus der die grüne Frucht entsteht. Die Früchte reifen nach und nach. Man erntet sie über viele Wochen ab. An manchen Sträuchern lässt man eine besonders pralle Schote ausreifen und trocknen: das Saatgut für die nächste Saison. Für einen Viertel Hektar benötigt man etwa 2 kg davon.

Okra braucht zwar nicht viel Platz, macht aber viel Arbeit: jäten, ernten, schneiden, hacken und trocknen (mehrere Tage an der Sonne). Dabei muss die ganze Familie helfen.

Makan Kamara ist  Bauer, 59 Jahre alt. Er ging sieben Jahre lang zur Schule. Mit seiner Frau hat er sieben Kinder. Auch sein Vater war Bauer und hat auf seinen Feldern (sieben Hektar) Hirse, Mais, Baumwolle, Reis und Erdnüsse angebaut. „In diesem Jahr habe ich nur vier Hektar bestellt, zu mehr hat das Geld nicht gereicht“; auf zwei Hektar Hirse und je einen Hektar Bohnen und Erdnüsse, plus  eben ein Viertel Hektar Gombo.

Komon

In den heißen Monaten April und Mai trocknen die kleinen Flussbetten am Fuße des Gebirges aus. Die Welse graben sich dann in den feuchten Schlamm der tiefsten Stellen ein und überleben so.

Mit dem Einsetzen der Regenzeit füllen die vom Mandingo Plateau herunter fließenden Wasser die flachen Bodensenken allmählich wieder auf und diese schwellen zu kleinen Seen an. In der Umgebung des  Dorfes Gonsolo sind es fünf an der Zahl: Terement, Gonsoloba, N`Khô, Doguógnè und Kôba. 

Nun gilt es, den richtigen Zeitpunkt für den gemeinsamen Fischfang zu bestimmen: Die Welse müssen sich bereits vom Schlamm befreit haben und im trüben Wasser schwimmen, aber noch dicht genug gedrängt sein, um sie fast mit Händen greifen zu können. Den Zeitpunkt bestimmt der eigens dafür gewählte chef de coûtume „seit mehr als hundert Jahren“. Für jeden der fünf Seen findet der gemeinsamen Fischfang (Komon = den Teich ausfischen) an einem bestimmten Tag statt.

Für den See Terement – der erste in dieser Saison – fiel der Tag auf Montag, den 12. Juni. Früh am Morgen informierte der Sohn des chef de coûtume die Dorfbevölkerung. Frauen und Mädchen machten sich auf den Weg, Männer und Jungen waren in der Minderzahl. Jede(r) hatte ein Netz oder einen Korb in der Hand oder über der Schulter. Alle eilten ins seichte Wasser und warteten auf das Zeichen zum Beginn des Fangs.

Frauen benutzen dafür traditionell einen Korb (Susu), stoßen diesen fest nach unten in den Schlamm und fühlen mit der Hand, ob ein Fisch gefangen ist. Männer haben traditionell ein Netz (Djôn) und fahren damit über den schlammigen Boden. – Heute ist die Aufteilung der Fanggeräte zwischen Mann und Frau weitgehend aufgelöst.

Der Fisch wird zu Hause verzehrt und nicht verkauft.