Karité 1

Kein anderer Baum kommt in der malischen Savanne so häufig vor wie der Karité-Baum. Er wächst langsam. Sein hartes Holz ist wertvoll. Er sät sich selbst aus. Er ist Teil der Allmende. Jeder kann die Nüsse sammeln. Befindet sich der Baum auf dem Feld einer Familie, so gehört er dieser. Nur sie darf ihn beschneiden oder ggf. fällen. Ein ausgewachsener Baum trägt ähnlich viele Nüsse wie ein Walnussbaum bei uns. Die grüne Schale der Nuss ist essbar. Die Nuss selbst (mit Schale) ähnelt einer kleinen Kastanie. Ihr Inneres ist fett, vielfach verwend- und auch essbar. Vor allem aber hat die Karité heilende Wirkung für die Haut.

Erntezeit ist im Juli und August, mitten in der Regenzeit. Scharen fruchtfressender Fledermäuse fallen nachts über die Bäume her und nagen an deren grüner Hülle, dem Fruchtfleisch. Die angeknabberten Nüsse fallen auf den Boden und werden in der Morgendämmerung aufgesammelt.

Im August steht der Mais halb hoch. Die Karitébäume werfen dichten Schatten. Darunter wächst kein Halm. Je früher eine Frau zur Stelle ist, desto schneller füllt sich ihre ausladende Schüssel; viele andere Frauen sind nämlich in gleicher Sache unterwegs. Korotoumou Doumbia füllt an einem guten Morgen bis zu vier Schüsseln.

Zu Hause schüttet Korotoumou die Nüsse in Säcke. Darin bleiben sie eine Woche lang. Das Fruchtfleisch beginnt zu gären und sich von der Schale zu lösen. Anschließend breitet Korotoumou den Inhalt der Säcke auf dem Boden vor ihrem Haus aus und stampft mit nackten Füssen das Gemisch, um die matschigen Hüllen von den Nüssen zu trennen. Das alles trocknet etwa zehn Tage lang in der Sonne; in vielen Dörfern und vor vielen Häusern das gleiche Bild. Regnet es zwischendurch, zieht sich die Trocknung länger hin. Das Wasser schadet den Nüssen aber nicht.

 

41 / August 2019