Griotte 2

„Die chefferie hat immer einen griot oder eine griotte“, sagt Djenebou Koné. „Die überbringen die Nachrichten; ohne die ist keine Zeremonie denkbar.“

Kendja Soumaro ist Djenebou Koné’s griotte seit diese vor mehr als einem halben Jahrhundert im Alter von vierzehn Jahren verheiratet wurde. Das ergab sich so, weil Djenebou’s Ehemann zur Familie des Dorfchefs gehört und dessen griot Kendja’s Ehemann war.

Alle Frauen im Ort gehören ihrer jeweiligen Alterskohorte an. In Djenebou’s Fall sind das – verteilt über die fünf Quartiere von Siby – an die zweihundert Frauen. Wollte Djenebou als Ehefrau eines Mitgliedes der chefferie eine Nachricht weiter leiten, so hatte sie das immer über ihre griotte zu tun. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Die griotte hat keine Wahl, sie muss allen Anliegen von Djenebou Folge leisten.

Privat kann Djenebou jederzeit alleine ausgehen. Bei offiziellen Anlässen erscheint sie in Begleitung ihrer griotte, die im Gespräch sowohl das Gesagte wie das Gehörte durch onomatopoetische Laute wirkungsvoll unterstreicht.

„Es gibt und gab Monate, da brauche ich überhaupt keine griotte und es gibt Zeiten, da brauche ich sie zwanzig Mal im Monat. Vor allem wenn es um Streitfälle geht.“

Polygame Verhältnisse mit mehreren Frauen und vielen Kindern fördern Neid und Verteilungskämpfe. Im ländlichen Umfeld von Siby geht es dabei meist um Bodenstreitigkeiten, die Landnutzung oder um Ernteanteile an den drei wesentlichen Bäumen: Mango, Karité und Baobab.

Streitfälle zu lösen und zu schlichten, obliegt Angehörigen der angesehenen Familien. Aufgabe des griot oder der griotte ist es, deren Ergebnis zu verkünden.

Aufgabe der griotte ist es auch, für jüngst verwitwete Frauen die Solidarität zu mobilisieren. Alle Frauen der Alterskohorte, so will es die Sitte, helfen der gerade Verwitweten für einige Stunden bei der Feldarbeit. „Manche erscheinen dabei aber nur der Form halber.“

 

47 / Februar 2020