Wéré 

Im Dorf Samako hat jede Familie ihren eigenen Wéré (Kraal). Die Familie von Mohamadou Diarra hat den größten Wéré, mitten im Ort. Viehhaltung hat eine lange Tradition in seiner Familie. Mohamadou ist deren älteste Sohn und Vater von fünf Kindern. Eine Schule hat er nie besucht.

Vier Ochsen und elf Kühe samt ihren Kälbern bewegen sich frei in seinem Wéré. Nur der Zuchtbulle, Vater sämtlicher Kälber, ist am Nasenseil angebunden. In der Trockenzeit verlassen die Tiere ihren Wéré ohne Hirten morgens um sieben und kehren abends gegen 17 Uhr von alleine zurück, nicht immer ohne Probleme. Am Abend zuvor musste Mohamadou Diarra vier seiner Kühe samt ihrer Kälber im Busch suchen gehen.

Mohamadou Diarra und seine drei Brüder haben diesen Wéré unlängst komplett erneuert. Das dafür notwendige Holz im Busch zu schlagen, hat fünf Tage gedauert; und noch einmal drei Tage für den Aufbau des Kraals selbst. Diese Arbeit fällt jedes Jahr von neuem an, denn die Termiten fressen das Holz.

Ab dem ersten großen Regen arbeiten alle auf den Feldern. In den ersten vier Wochen nach der Aussaat braucht vor allem der Mais viel Dung. Aus dem Wéré wird jetzt der Mist des Jahres auf die Felder gebracht, in Häufchen verteilt und untergepflügt, an die fünfzig Eselskarren voll. 

Sobald die ersten Keime sprießen, dürfen die Tiere nicht mehr frei herumlaufen, sondern werden – für die nächsten drei Monate – Hirten anvertraut. Die Kühe und Kälber gibt Mohamadou Diarra dann an die nomadisierenden Fulbe-Hirten unweit des Dorfes im Busch. Die wissen, wann wegen des sprießenden Grüns die Milch reichlicher fließt und man deshalb die Kälber von den Kühen trennen kann.

Eine gute Kuh dieser lokalen Rasse gibt in der Regenzeit bis zu zwei Liter Milch am Tag. Was am Freitag und am Montag gemolken wird, bleibt bei den Fulbe. Die Milch der anderen Tage holen die Kinder von Mohamadou Diarra bei den Hirten ab. Sie wird für die Grütze am Morgen verwendet und nicht verkauft.

81 / Oktober 2022