Mousso djiguina

Selikéné Kamara wurde 1973 im Dorf Makadjana geboren, mitten im Busch. Sechs Jahre lang ging sie dort zur Schule. Als sie 16 Jahre alt war, arrangierten ihre Eltern eine Verwandtenhochzeit mit einem mehr als doppelt so alten Vetter. 

Selikené stand der Sinn überhaupt nicht nach heiraten. Sie wollte den zweiten Zyklus (7. bis 9.Klasse) in Kongola (3 km entfernt) besuchen und Ärztin werden. Aber ihre Eltern sagten: Schule ist teuer und unnötig. „Ich habe tagelang geweint, ich wollte nicht heiraten, aber mein Vater sagte: ´Du bist diesem Mann versprochen und Du heiratest ihn´.“ Ihre Mutter schwieg.

„Das erste Mal sahen wir uns am Tag der Hochzeit“, unmittelbar vor der Hochzeitsnacht. Ein Freund des Bräutigams, hatte Selikené auf seinem Motorrad nach Kalassa geholt, 6 km entfernt. Ihre Eltern waren inzwischen auch dort. Mit Tamtam, führte ein Griot sie ihrem Ehemann zu. Der war nach der Grundschule in Siby zwar mit Erfolg auf die weiterführende Schule in Bamako gegangen, nun aber einfacher Bauer für Hirse und Erdnüsse. „Er gefiel mir überhaupt nicht.“ In seinem Haus befanden sich nur ein Bett und eine Truhe. 

Ihre Eltern blieben drei Tage in Kalassa, solange die Hochzeit dauerte. „Ich habe nur geweint.15 Tage lang blieb ich mit meinem Mann im Haus.“ So will es der Brauch. Solange war es an seiner Familie, die Mahlzeiten zu schicken. Danach begann sie, zusammen mit den Frauen seiner älteren Brüder für die Familie zu kochen.

Geld gab es nie. Ihr Mann steuerte nur die Hirse aus seiner Ernte bei. „Ich habe Kariténüsse gesammelt und Kleinhandel betrieben, um die condiments zu kaufen.“ – Im Dorf sagte man ihr: „Bleib bei ihm, das wird sich regeln. Und tatsächlich habe ich ihn nach und nach schätzen gelernt.“ Das begann, als er eine kleine Beschäftigung fand und etwas Geld verdiente. 

Selikené blieb seine einzige Frau. Zehn Jahre lang konnte sie nicht schwanger werden. Dann kam eine Tochter, heute zwanzig und elf Jahre später ein Sohn, heute neun Jahre alt.

Die große Wende ereignete sich 2006. Mit Hilfe einer NRO und unter Mobilisierung der Dorfgemeinschaft entstand eine Geburtsstation in Kalassa, dafür brauchte man eine mousso djiguina, eine Geburtshelferin. Die Wahl fiel auf Selikéné Kamara. In Bamako absolvierte sie eine sechsmonatige Ausbildung. – Seither leitet sie die Entbindungsstation von Kalassa und gilt als die beste Hebamme weit und breit. Frauen aus Dörfern bis zu 20 Kilometern entfernt bringen ihre Kinder hier zur Welt.

77 / Juni 2022